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Valentin Tomberg - Erstveröffentlichung der "Inneren Gewissheit"

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Valentin Tomberg - Erstveröffentlichung der "Inneren Gewissheit"

Richtigkeit allein genügt ihm nicht...

Zu Valentin Tombergs „Innere Gewissheit“

 

Vor kurzem ist bei Kairos Edition Valentin Tombergs « Innere Gewissheit »[1] erschienen, ein Werk, das nicht fertig gestellt und auch nicht in die Werkausgabe des bedeutenden Denkers aufgenommen wurde. Deshalb haben es Friederike Migneco und Volker Zotz nun mit einer Einleitung und einer Studie zum Verhältnis Tombergs zum Buddhismus eigenständig herausgegeben.  

 Valentin Tomberg, 1900 in Sankt Petersburg geboren, wird als Kind in den evangelischen Glauben eingeführt. Durch die Denkmodelle der Naturwissenschaften beeinflusst setzt sich der junge Tomberg mit der orthodoxen Kirche auseinander. Er wendet sich dann der Theosophie und der Hermetik zu, die in den überlieferten Symbolen der Alchimie, Astrologie und Kabbala eine wesentliche Quelle der Erkenntnis sehen. Um sich nicht mangels objektiver Kontrollmöglichkeit in der Tiefe der Symbole zu verlieren, wendet sich Tomberg Rudolf Steiners Anthroposophie zu, die sich als Geisteswissenschaft versteht, bevor er Mitte der vierziger Jahre der katholischen Kirche beitritt, die den Glauben hervorhebt, ohne aber die Erkenntnis zu verachten.

 Anfangs war die Schrift „Innere Gewissheit“ von Tomberg als „Lebenswerk“ geplant. Er wollte hier eine „allumfassende Methode“ anwenden, die Lebenserfahrung, Beobachten, Studieren, Gewissen und Denken, Beten und Meditieren einschließen sollte.

 So beginnt sie mit einer „Betrachtung über Schlaf und Wachen“. Beide schließen sich nicht aus. Auch im Wachzustand schläft der Mensch teilweise und kann deshalb immer weiter erwachen. Nach Tomberg beruht der Buddhismus genau auf dieser Erfahrung, wenn er darauf hinweist, dass man für bestimmte Dinge, für die man schläft, erwachen kann. Ein anderes Beispiel liefern für Tomberg die Geistlichen Exerzitien des hl. Ignatius, die ebenfalls bei jenen, die sie üben, für bestimmte Dinge erwecken können.

 Ist das Wachbewusstsein der Urheber der „Werke“, d.h. der Bemühungen, Anstrengungen, Taten und Leistungen, so ist das schlafende Bewusstsein, das gleichzeitig mit dem Wachbewusstsein immer gegenwärtig ist, der Bereich der Wirkungen der „Gnade“, d.h. derjenigen aufbauenden und Wesenswachstum bewirkenden Kräfte. „Die Werke werden verrichtet, die Gnade aber geschieht von selbst.“

 Man kann zu kurz treten in der Einschätzung der Gnade sowie in der Einschätzung der Werke. Beispiele für erstere Haltung sind der Pelagianismus, der christliche Rationalismus eines Tolstoj oder auch der liberale Protestantismus. Für die andere Haltung verweist Tomberg auf Jan Hus, auf Calvin und auf Luthers Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben allein. Für ihn ist die wahre Lösung „Werke und Glaube“, so wie sie in der traditionellen Kirche bejaht wird. Diese nimmt wohl an, dass die Natur „verwundet, aber nicht zerstört“ ist. Ihre Lösung ist somit theologisch wahr und auch im Einklang mit der gesamten Lebenserfahrung. Therapeutisch hat sie als Ziel die „Gesundheit des Bewusstseins als des harmonischen Zusammenwirkens zwischen Wachen und Schlaf, zwischen Aktivität und Passivität des Bewusstseins“. Im höchsten Maß geschieht dieses Zusammenwirken in Taten der Liebe: „Die Liebe ist der Zustand, in dem das wahre Wachen und das wahre Schlafen in vollkommenem Zusammenklang sind. In der Liebe wird Tat und Geschehen eins; in ihr offenbart sich die Leistung der zusammenwirkenden Bereiche des Wachens und des Schlafes.“

 „Persönliche Gewissheit“ ist die Frucht totaler Erkenntnis. Ihr höchstes Maß ist dann erreicht, wenn das logische Denken, die innere und äußere Erfahrung, der Schönheitssinn, der leibliche und geistige Gesundheitssinn dazu „ja“ sagen, und wenn es auch „von ernsten, klar denkenden, ehrlichen und ausgeglichenen Menschen“ anerkannt und vertreten wird.

 Diese persönliche Gewissheit kann nur Erkenntnis ohne Zwang sein, auch ohne den theoretischen Zwang der wissenschaftlichen und logischen „Beweisen“. Sie geschieht in Freiheit, als ungehemmte und unerzwungene Wesensentfaltung und ist somit nicht Wissenschaft, sondern eben Gewissheit, „die nicht durch Beweise erzwungen, sondern auf dem Boden der Freiheit geboren und gewachsen ist“.

 Diese Erkenntnis ohne Zwang führt über Systematik und Ordnung hin zur Symbolik. Gewicht, Maß und Zahl weisen dann auf Glaube, Hoffnung und Liebe hin. Der Glaube ist die Erfahrung des Gewichts der geistigen Dinge; die Hoffnung bestimmt das Maß dessen, was wir ertragen können, und die Liebe Gottes wird ausgedrückt durch die Zahl der Wesen in der Welt.

 Symbole können in eindeutige Begriffe verwandelt werden. Daraus kann man, wie in der Vergangenheit oft geschehen, theologische Systeme bauen, die unmenschliche Grausamkeit in der Praxis ergeben und zu ungeheueren Verleumdungen Gottes führen können. Allmacht und Allwissenheit schließen stillschweigend die Liebe Gottes aus.

 Eindeutige Begriffe können aber auch vertieft und in Symbole verwandelt werden. Aus der Eins wird dann Einheit, aus der Zwei Polarisation, die Drei überwindet das Getrenntsein. Symbolik ist die Sprache des Lebens.  

 Tomberg plädiert für eine Gnosis, die über das rein Wissenschaftliche in der Theologie hinausgeht. So schreibt er zu den Namen Gottes: „Es genügt nicht, die Übersetzung dieser Namen zu kennen und zu wissen, wo und wievielmal sie in der Schrift vorkommen.“ Die Gottesnamen sind auch Gottesoffenbarung und müssen als solche erläutert werden. „Jeder Mensch, der nicht vom Brot allein leben kann, ist grundsätzlich sowohl Philosoph als auch Theologe, Mystiker und Gnostiker zugleich. Jedes Gebet ist praktische „Mystik“ des Verkehrs mit Gott, jede Einsicht in das Wesen dieses Verkehrs ist „Gnosis“.“

 Tomberg beginnt sodann am Baum der Sephiroth aus der jüdischen Kabbala die Gottesnamen zu vertiefen. Hier aber bricht seine Schrift ab.

 Immer wieder verweist Tomberg in seinen Ausführungen auf die Bibel hin, und so versteht sich die „Innere Gewissheit“ als eine Schrift „über den Weg, die Wahrheit und das Leben“. Deshalb haben die Herausgeber auch diesen Untertitel unter anderen von Tomberg vorgesehenen ausgewählt.

 Das Buch schließt mit einer Studie von Volker Zotz über Tomberg und den Buddhismus. Auf seinem intellektuellen Lebensweg ist Tomberg immer wieder dem Buddhismus begegnet, den er verschiedenartig einschätzt. Buddhismus und Christentum stehen für ihn in einem interaktiven Verhältnis. Zwar gilt es ihm als „Fehler, wenn Christen zum Buddhismus konvertieren“, trotzdem sieht er zahlreiche Möglichkeiten der gegenseitigen Bereicherung. Auch zur „Bodhisattva-Frage“ hat sich Tomberg „als wahrhaft Erkennender“ geäußert. Der Bodhisattva, der sich einmal in jedem Jahrhundert als Maitreya-Buddha verkörpert, um die Bewusstseinsentwicklung der Menschheit voranzubringen, sollte nach Rudolf Steiner um 1900 geboren werden und in den dreißiger Jahren sein Wirken beginnen, das die Dreieinheit von Weg, Wahrheit und Leben voll zur Geltung bringen sollte. Ist dieser Bodhisattva Steiner selbst gewesen? Oder Tomberg, wie einige behaupten, und wie man es aus Tombergs späten Schriften herauslesen könnte? Volker Zotz verweist auf den japanischen Heiligen Shinran für den jeder, der die höchste Wirklichkeit erfährt, wesensgleich mit Maitreya wird. Das scheint ihm auch die Auffassung Tombergs gewesen zu sein.

 Die „Innere Gewissheit“, herausgegeben und eingeleitet von Friederike Migneco und Volker Zotz, gibt einen guten Einblick in die Gedankenwelt und die Denkmethode Tombergs, dessen Erläuterungen zur Wahrheit in Verbindung mit dem Weg und dem Leben letztendlich eine Absage an alle Systeme andeuten und über die Symbole die Liebe als Ziel haben. Den Herausgebern zufolge, ist das nicht zu Ende geschriebene Manuskript „vornehmlich als Einladung zur Meditation“ zu betrachten oder wie ein Kunstwerk zu genießen.

 

P. Jean-Jacques Flammang scj



[1] Valentin TOMBERG : Innere Gewissheit. Über den Weg, die Wahrheit und das Leben, eingeleitet und herausgegeben von Friederike Migneco und Volker Zotz. Tomberg und der Buddhismus, Volker Zotz. Koerich, Kairos Edition, 2012, 257 Seiten. ISBN 978-2-919771-00-4

 

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